AI Impact - KI in Gesellschaft, Bildung & Kultur
KI, Kunst und Musik – Dokumentation
Künstliche Intelligenz hat längst die großen Museen, die Musikcharts und die Literatur erreicht. Sie ist längst kein Thema mehr nur für Technik-Nerds – sie beeinflusst unsere Kultur. Mensch und Maschine stehen in einer Wechselwirkung, nicht erst seit den Fortschritten im Bereich der generativen KI. In der Fortbildung „KI, Kunst und Musik“ stand genau das im Fokus: Welche Rolle spielt KI im kreativen Schaffen? Welche Chancen eröffnet sie – und wo liegen die Grenzen?
Rund 30 Teilnehmer*innen aus dem Bildungssektor diskutierten gemeinsam mit Lukas Spahlinger (Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung) und dem Illustrator und KI-Experten Benjamin Bertram über die Auswirkungen auf Kunst und Kultur sowie über pädagogische Einsatzmöglichkeiten.
Ein Blick zurück: KI in Kunst und Musik
Bereits im Jahr 1957 wurde das erste Musikstück von einer KI komponiert: die Illiac Suite. Die Partitur für ein Streichquartett entstand im Rahmen eines Forschungsprojekts an der University of Illinois und gilt als Meilenstein der computergenerierten Musik.
Auch KI-generierte Kunst hat eine längere Tradition und in den letzten Jahren gab es einige Kunstwerke, die mithilfe oder von KI erstellt wurden. Benjamin Bertram verwies auf das MOMA in New York, das Werke des Künstlers Refik Anadol zeigt. Oder auf ein Porträt von Alan Turing, das für über eine Million Euro verkauft wurde – gemalt von einer Roboter-Künstlerin. Besonders medienwirksam war der Fall Boris Eldagsen: Er gewann einen renommierten Fotowettbewerb mit einem KI-Bild, lehnte den Preis aber ab – und entfachte damit eine Debatte über Authentizität und Urheberschaft.
Wer hat’s gemacht? Das Urheberrecht in Zeiten von Generativer KI
Ein weiterer Schwerpunkt der Fortbildung war die rechtliche Einordnung. Die zentrale Frage lautete: Sind KI-generierte Werke vom Urheberrecht betroffen? Darf KI mit urheberrechtlich geschütztem Material trainiert werden?
Der rechtliche Rahmen in Europa ist komplex. Grundsätzlich gilt: KI-generierte Inhalte unterliegen nicht dem Urheberrecht, da sich das Urheberrecht auf menschliche, nicht aber auf maschinelle Schöpfungen bezieht.
Inhalte, die öffentlich zugänglich sind und keine technische Schutzmaßnahme oder ausdrückliche Kennzeichnung gegen automatisierte Nutzung enthalten, dürfen für sogenanntes Text- und Data Mining verwendet werden (§ 44b UrhG).
Ein viel beachteter Fall war die Klage des Fotografen Robert Kneschke gegen LAION e.v., die einen Datensatz geschaffen haben, der als Grundlage für viele Bild-KIs dient. Das Gericht entschied: Da nur Links, aber keine Bilder gespeichert wurden, und das Bild auch öffentlich einsehbar war, lag kein Urheberrechtsverstoß vor – ein Urteil mit Signalwirkung.
In der Musikbranche setzt sich die GEMA aktuell für eine faire Vergütung ein und führt Verfahren gegen große KI-Anbieter wie OpenAI oder Suno AI. Außerdem hat die GEMA für alle bei ihr gemeldeten Künstler:innen einen Opt-Out erklärt – also festgelegt, dass ihre Werke nicht für KI-Trainings genutzt werden dürfen.
Momentan läuft ein Rechtsverfahren zwischen der GEMA und den Anbietern Suno AI sowie OpenAI. Außerdem hat die GEMA ein Lizenz- und Bezahlungsmodell für den Umgang vorgestellt.
Diese Entwicklungen zeigen: Die rechtlichen und ethischen Fragen rund um KI und Kreativität sind in Bewegung – und brauchen klare, differenzierte Antworten. Im Einzelfall gilt es, die rechtlichen Rahmen zu überprüfen.
Vom Zeichenblock zum Prompt: Kreativität im Wandel
Benjamin Bertram gab Einblicke in seinen Berufsalltag. Seit 2018 arbeitet er mit KI, trainiert eigene Modelle und nutzt sie für Bildideen und Illustrationen. Statt stundenlang zu skizzieren, erstellt er heute mit wenigen Prompts in Sekunden erste Entwürfe. Er unterscheidet drei Arten der Bildnutzung:
- Dekorativ – etwa für Hintergründe oder Muster
- Unterstützend – zur Illustration von Inhalten
- Deskriptiv – wenn es um exakte Darstellungen geht (z. B. Anatomie)
Gerade in letzterem Bereich stößt KI oft an Grenzen. So zeigte Bertram ein Beispiel eines KI-generierten Totenschädels, der auf den ersten Blick korrekt wirkte, aber anatomisch fehlerhaft war. Für präzise oder wissenschaftliche Inhalte bleibt die Expertise von Menschen unerlässlich.
Neue Tools, neue Rollen, neue Workflows: Der kreative Prozess mit KI
Benjamin Bertram stellte verschiedene Werkzeuge vor, mit denen er arbeitet:
- ChatGPT / DALL·E: Bilder per Texteingabe generieren
- Krea.ai: detaillierte Steuerung durch semantische Bildbeschreibungen
- CogniWerk.ai: ideal für erste Kompositionsskizzen
- ComfyUI: ein umfassendes Open-Source-Framework mit Profi-Funktionen
Diese Tools ermöglichen schnelle Ideenfindung und Variantenbildung. Außerdem kann Künstliche Intelligenz genutzt werden, um selbst entwickelte Stile zu vervielfältigen und auf andere Kontexte zu übertragen. Dabei bleibt der Mensch in einer neuen Rolle: als Auftraggeber oder Art Director, der die KI steuert, auswählt und finalisiert. Die KI ist Assistenz – nicht Urheberin.
Auch im musikalischen Bereich wurden in der Fortbildung konkrete KI-Tools vorgestellt. Unter anderem demonstrierten die Referenten aktuelle Musikgeneratoren wie Suno AI, mit denen innerhalb von Sekunden ganze Musikstücke erstellt werden können – von Pop über Klassik bis Elektronik. Die Teilnehmenden diskutierten kreative Potenziale ebenso wie mögliche Auswirkungen auf den Musikmarkt und auf den Bildungskontext. Dabei ging es auch um die Frage, welche Wirkung stereotype Darstellungen in KI-generierten Inhalten auf die Rezeption haben können und welche gesellschaftlichen Vorstellungen dadurch reproduziert oder verstärkt werden.
Zwischen Faszination und Skepsis
In einer interaktiven Umfrage sammelten die Veranstalter spontane Assoziationen der Teilnehmenden. Die Rückmeldungen reichten von „neue Möglichkeiten“ und „Neugier“ bis hin zu „Skepsis“ oder „Kunst wird zum Massenprodukt“. Die Diskussion zeigte: KI ist zugleich Inspirationsquelle und Herausforderung – insbesondere dann, wenn KI stereotype Darstellungen produziert, die gesellschaftliche Bilder und Rollenklischees unreflektiert weiterverbreiten.
Fazit: Die Technik ist da – Fragen bleiben
Für das pädagogische Arbeiten eröffnet KI zahlreiche kreative Einsatzmöglichkeiten: Teilnehmende diskutierten den Einsatz von Musikgeneratoren zur gemeinsamen Komposition mit Schülerinnen, die Verwendung von Bild-KIs zur Ideenfindung im Kunstunterricht, aber auch die Nutzung von Chatbots für kreatives oder biografisches Schreiben. Außerdem wurde angesprochen, dass KI-generierte Werke als Anlass für inhaltliche und fachliche Diskussionen dienen können. Diese Werkzeuge können Motivation und Ausdruck fördern – und zugleich das kritische Denken über Urheberrecht, Authentizität und Verantwortung stärken.
Die Fortbildung machte deutlich: KI verändert kreative Prozesse grundlegend. Sie ermöglicht neue Ausdrucksformen, verändert Rollenbilder, beschleunigt Arbeit und wirft gleichzeitig wichtige Fragen auf: Was ist Kunst? Wie schützen wir Urheberinnen? Wie können wir KI verantwortungsvoll und nachhaltig nutzen?
Einfache Antworten auf diese Veränderungen gibt es nicht – aber es lohnt sich, Antworten zu suchen. Denn wie bei der Fotografie vor 100 Jahren geht es nicht nur um neue Technik, sondern um unsere kulturelle Zukunft. Und um die Frage, wie wir als Gesellschaft mit den neuen Möglichkeiten umgehen wollen.
Linkliste zur Fortbildung
Tools zur Bild- und Musikgenerierung
Praxisbeispiele und Demonstrationen
- Refik Anadol: Unsupervised – MoMA Der Künstler Refik Anadol interpretiert und visualisiert mit künstlicher Intelligenz über 200 Jahre Kunstgeschichte des MOMA
- CNN: Ai-Da’s Porträt von Alan Turing erzielt Rekordsumme Ein humanoide Roboter Ai-Da kreiert Kunst
- HBK Braunschweig: Boris Eldagsen – „Describe“ Boris Eldagsen spricht über die Geschichte KI-generierter Bilder und deren Auswirkungen auf die Zukunft der Fotografie und Gesellschaft.
- YouTube: You’ve NEVER Heard AI Music Like This 🙁 Dieses YouTube-Video untersucht die Fähigkeiten von KI in der Musikproduktion
- YouTube: Daddy’s Car – A Song Composed by AI in the Style of The Beatles In diesem Video wird ein Song vorgestellt, der von einer KI im Stil der Beatles komponiert wurde, um die Möglichkeiten von KI in der Musikkomposition zu demonstrieren.
Vertiefende Blogartikel
- Kneschke vs. LAION – Landgericht Hamburg weist Klage ab Das Landgericht Hamburg hat die Klage des Fotografen Robert Kneschke gegen den Verein LAION abgewiesen
- Passive Illustration Diese Website ist Teil der Masterarbeit von Benjamin Bertram und untersucht die Rolle von KI in der Illustration
- Künstliche Intelligenz und Urheberrecht – Fragen und Antworten Dieses Dokument des Bundesministeriums der Justiz beantwortet Fragen zum Schutz von Urheberrechten im Zusammenhang mit KI
- Zwei Säulen ein Ziel: Effektive KI-Lizenzierung für eine faire Beteiligung der Musikschaffenden Die GEMA stellt ein Lizenzmodell vor, das Musikschaffende fair an den wirtschaftlichen Vorteilen generativer KI beteiligt